Hier her, du musst dich hier her stellen. So, und groß machen mit den Armen, so groß du kannst! Die Nachwuchsbäurin und ihre Freundin helfen dem Bauern, die Schafe auf eine neue Weide zu treiben. Jetzt, wo die Heuzeit endgültig vorbei ist, gehören alle Wiesen ihnen. So engagiert wie kleine Kinder das nun mal können, brüllt das Erstere dem Letzteren zu, wo es sich zu positionieren und wie es sich zu verhalten hat.
Ich sitze währenddessen auf der Bank vor dem Haus und versuche, einen Blogbeitrag übers Heuen zu schreiben. Wie man auf dem Foto oben sieht, hat hier mittlerweile der Altweibersommer Einzug gehalten (heißt angeblich so wegen der vielen Spinnennetze, die hierzulande in großer Zahl im taunassen Gras eines sonnigen Septembermorgens zu sehen sind und an das Haar alter Frauen erinnern). Aber ich schwöre, noch vor Kurzem war es so heiß, dass wir eine weitere Mahd eingebracht haben – am 20. September! Wer auf Anhieb weiß, warum das unüblich ist, wurde wohl mit der Heugabel in der Hand geboren und kann die Lektüre ab hier bleiben lassen. Für alle anderen:
Heuen bezeichnet den gesamten Prozess des Heu Machens bzw. der Heuernte. Also vom ersten Blick auf sämtliche Wetterberichte über das Absagen aller Termine für die nächsten Tage bis zum gegenseitigen Heu-aus-den-Haaren-Zupfen nachdem alles unter Dach ist.
Ist die Entscheidung fürs Heuen getroffen, werden die Geräte einsatzbereit gemacht. In unserem Fall ist das ein Steyr-Traktor Baujahr ´63 mit einem seitlich ausklappbaren Mähwerk. Damit tuckert der Bauer dann über unsere Hügel und zu seiner Rechten wird der Aufwuchs der Wiesen abgeschnitten. Sieht schön aus, der große Kerl auf dem kabinenlosen Traktor, dessen längst verblasstes Rot über die grünen Wiesen zieht. (Ich kann auch Traktor fahren! Aber mir fehlt die Übung. Feministisch betrachtet sollte ich daran längst etwas ändern, von wegen Vorbild sein, Unabhängigkeit und so. Pragmatisch betrachtet reiße mich nicht wahnsinnig darum, Fahrpraxis zu gewinnen. Eine Fähigkeit zu haben bedeutet immer auch, dass sie einzusetzen erwartet werden könnte. Und wie gesagt: ein schöner Anblick).
Die frisch geschnittenen Gräser und Kräuter werden alsbald einmal gewendet, zu diesem Zweck wird der Heuwender an den Traktor angehängt. Je nach Witterungslage zwei bis drei Tage trocknen lassen, mehrmals Wenden, bis zum Verzehr an einem trockenen, luftigen Ort lagern. Der nennt sich Heuboden, Heustadl oder Heuschober. Wie es dort hinkommt? Mit dem Heuwagen. Auch das ist ein Anhänger für den Traktor, etwa eineinhalb Menschen hoch, ausgestattet mit einer, wie soll ich sagen, Walze mit Zinken, die das in Schwaden gereihte Heu beim Drüberfahren hinein gabelt. Fürs Schwaden gibt’s natürlich auch ein eigenes Gerät.
Zu anderen Zeiten und an anderen Orten werden fürs Schneiden Sensen, fürs Wenden Heugabeln und fürs Schwaden Rechen eingesetzt. Und viel menschliche Arbeitskraft. Könnten wir auch so machen, wollen wir aber nicht. Weil sich weiter bilden, Blogbeiträge schreiben, außerhalb des Hofes arbeiten und Freizeit haben auch Spaß machen.
Zurück zum 20. September: Üblicherweise ist die erste Mahd – also der erste Schnitt, die erste Heuernte – frühestens Ende Mai sinnvoll, die letzte Mahd sollte im Lauf des August eingebracht sein. Davor und danach sind die Tage kürzer, die Morgen taunasser, das Wetter unbeständiger und die Temperaturen niedriger. Aber heuer hatten wir Glück im Unglück. Glück, weil wir auf einen Sommer zurückblicken konnten, in dem sich Regen und Sonnenschein nahezu perfekt abgewechselt haben. Das sind optimale Wachstumsbedingungen für die Wiese, und als der September nochmal Heuwetter aufgeboten hat, war genug da für eine weitere Mahd. Unglück, weil es sich nichtsdestotrotz um ein ungewöhnliches Wetterphänomen handelt, wie zum Beispiel auch die extreme Hitze und Trockenheit dieses Jahr in Teilen Deutschlands. Und weil diese Wetterphänomene zunehmen, und das Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion in Zukunft nicht leichter machen wird.