Fünf Minuten vor dem Sechs-Uhr-Wecker von halbwüchsigen Hähnen geweckt, die grade das Krähen lernen, die Tiere trotzdem versorgt, Frühstück und Jause gerichtet, noch schnell lauwarm geduscht, bevor es die Jungkoglerin zu wecken galt. Heißes Wasser war grad aus, und da der Kogler beruflich in Wien weilt und die Singapuris, die grad gegen Kost und Logis mit anpacken, heute frei hatten, fand sich niemand sonst fürs Einheizen. Hätte außerdem eh zu lange gedauert, bis das bei mir im Duschstrahl ankommt.
Jungkoglerin in den Kindergarten gebracht, Gäste aus Singapur bei der Zotter-Schoko-Fabrik abgesetzt, wieder heim, Vormittag für Büroarbeit genutzt: zwei Lammfell-Bestellungen bearbeitet, unsere Workshops bei Foodkoops beworben, Anfragen auf Workaway beantwortet, meine Verfügbarkeit für den Brotjob jenseits des Hofes bekannt gegeben. Alles, wozu ich nicht gekommen bin, auf einer To-Do-Liste für morgen notiert, Mittagessen vorbereitet, Wäsche aufgehängt.
Dann, beim Abholen der Kleinen, war der Schwung weg. Deshalb hab mich doch noch nicht getraut, mit der Kindergärtnerin über Gott zu reden. Der ist gerade sehr präsent in den laut ausgesprochenen Gedanken der Jungkoglerin. Letztens etwa hat sie dem Kogler erklärt, sie könne spüren, dass Gott bei ihr sei. Es dürfte mit den Vorbereitungen zum morgigen Erntedankfest im Kindergarten zu tun haben und den Liedern und Geschichten dazu. Denn höchstpersönlich erschienen wird er ihr ja wohl nicht sein. Ich sage ihr also, dass es sich mit Gott ähnlich verhält wie mit Gespenstern, Hexen und Monstern. Sie existieren natürlich, aber nicht in Echt, sondern in den Geschichten, die sich die Menschen erzählen. Das sind zwei unterschiedliche Formen von echt, Kinder können beide. Gedanklich füge ich hinzu: Aber auch für manche Erwachsene sind diese Erzählungen Grund genug, sich so zu verhalten, als gäbe es wirklich einen Gott. Ist in Ordnung, abgesehen von Gewalt und Unterdrückung im Namen eines Gottes. Andere, darunter deine Eltern, ersetzen die Geschichte von Gott durch jene von Aufklärung und Humanismus (von wegen ohne Bekenntnis!), manche leben mit beiden Geschichten gleichzeitig und darüber hinaus gibt es unzählige Schöpfungsmythen und Gottesversionen. Wichtig ist vor allem, dass jeder Mensch die Wahl hat. Daher müssen Kinder, denen von der Existenz Gottes erzählt wird, auch über seine Nicht-und Anders-Existenz aufgeklärt werden. Dann frage ich sie, warum ich Gott für unsere Ernte danken soll, wo doch ich diejenige war, die gesät, gejätet und ins Haus getragen hat, und dass wir angesichts der von uns Menschen herbeigeführten ökologischen Krise von Jahr zu Jahr froher sein können, wenn es überhaupt irgendetwas zu ernten gibt. Stimmt, den zweiten Teil des Satzes habe ich wieder nicht gesagt, aber gedacht habe ich mir: das hätte ich gerne, das mit Kindern thematisiert wird, wenn es um Erntedank geht. Wie dem auch sei, wenn ich ihr so komme, wird sie unrund, denn wie kann denn so falsch sein, wovon die Kindergärtnerinnen, bei denen sie sich aufgehoben und angenommen fühlt, erzählen? Wenn ich dann doch demnächst das Gespräch mit den beiden suche, werde ich damit beginnen, dass sie ihren Job ziemlich gut machen.
Wieder daheim war ich dann sehr schlecht drauf. Frisch enttäuscht von mir selber, immer noch enttäuscht vom Ergebnis des Frauenvolksbegehrens und vor allem von denen, die unterschrieben hätten, weil sie finden eh klar gehört das unterzeichnet, aber irgendwelche blöden Ausreden hatten. Mindestens zehn davon kenne ich, und von „der Weg zum nächsten Gemeindeamt war zu weit“ über „ich hatte nie einen Ausweis bei mir“ zu „ich hab gedacht, das geht noch länger“ und sogar „was, das gabs???“ war alles dabei. Von „Ich unterschreibe nicht, weil ich nicht jede Forderung gut finde“ oder „…weil die gendern“ red ich ja gar nicht, denn es handelt sich dabei nicht um Ausreden. Wer das sagt, hat nie in Erwägung gezogen, zu unterschreiben und hätte immer irgendeinen Grund gefunden. Meine Meinung.
Unzufrieden also und auch übermüdet weil es seit Tagen rund geht – Sonntag im Nachbarort alten Schuppen abgebaut, der hier als neues Hühnerhaus wieder auferstehen wird, Montag Schlachtung von vier Altschafen und Lieferung an den Schafsmetzger zum Verwursten, Dienstag ÖBV-Frauenarbeitskreistreffen in Linz, Mittwoch, also gestern, ok, da war zumindest Ausschlafen – wird es mir irgendwann zuviel, ich bin mal wieder den Tränen nahe und die alt bekannten Zweifel packen mich. Ich lass die Jungkoglerin alleine weiter puzzeln und schreibe selbstmitleidige Nachrichten an meine Schwestern in Wien. Wie furchtbar alles ist und was ich überhaupt hier mache, dass Hofwärts sowieso nie das werden wird, was wir uns vorstellen und so weiter. Wenigstens hilft es.
Später dann kommt eine Freundin mit gleichaltrigem Kind zu Besuch, ich kann mich ein wenig ausheulen und dann gehen wir noch spazieren. Wir gehen zu unseren Minikiwi-Bäumen, zu den Weinstöcken und in den Tomatentunnel, wir kommen am Walnussbaum vorbei und im Wald liegen noch Maroni, viele.
Ich bin versöhnt für heute. Jetzt gehe ich schlafen, der Wecker ist wieder auf 6:00 gestellt. Morgen versorgen die mit massenhaft Zotter-Schoko Aufgetankten die Tiere, ich werde Zeitung lesen und dann der Jungkoglerin eine Schüssel voll Tomaten richten, roten und gelben, runden und länglichen, großen und kleinen. Selbst gezogen, frisch von der Staude. Jedes Kind soll zum Erntedank Gemüse für die gemeinsame Jause mitbringen. Warum ein so schönes Ritual nicht auch ohne Gott auskommt, bleibt mir vorerst ein Rätsel, aber das ist ebenfalls in Ordnung.
1 Comment
So, ich schwing mich mal endlich auf zu schreiben, hat nun fast ein Monat gedauert 🙂
Das liegt nicht daran, dass mir das nicht wichtig ist, sondern an vielen kleinen Faktoren, wie zb dass ich den Kommentar ungern am Handy tippseln wollte – mir aber immer eingefallen ist zu schreiben, als der Laptop außer Reichweite war. Könnte jetzt argumentiert werden, dass es dann nicht wichtig genug war – ist vielleicht zu einem gewissen Grad auch so – überlebensnotwendig wars natürlich nicht für mich. Worauf will ich mit dieser laaaangen Erklärung hinaus – gleiches gilt zb für mein Nicht-unterschreiben des Volksbegehrens. Ja das ist nicht gut. Lag daran, dass ich unorganisiert in mancher Hinsicht bin. Was allerdings in meinen Augen ebenfalls keinen Sinn macht ist es, Menschen wie mir, die diesen Fehler gemacht haben zu versuchen ein schlechtes Gewissen zu machen 😉 weil das nämlich keinen Sinn macht. Ich verstehe zu 100% deine Enttäuschung darüber und dass du dich ausheulen oder auch auskotzen willst darüber. Ich hab allerdings irgendwie den Eindruck, dass du dir DADURCH Veränderung erwartest und kann dir diesbezüglich nur von mir persönlich sagen – wird es nicht. Ist so ähnlich wie ein Mensch der oft zu spät kommt – mittlerweile – nach vielen vielen Jahren des Nicht-verstehens meinerseits hab ich kapiert, dass es bei sehr vielen kein unpünktlich sein WOLLEN ist. Also wenn du eine Lösung für die vielen Menschen suchst, die gern unterschrieben hätten, es aber nicht getan haben, glaube ich persönlich der Ansatz ist nicht zielführend. Ich hab aber leider auch keine bessere Idee 😉 — also bisher, vielleicht plaudern wir mal drüber und es fällt uns was ein..
Und jetzt noch zum anderen Thema – Gott und die Welt..
Meine Familie ist ja, wie du weißt, sehr gläubig – also alle außer ich natürlich. Daher habe ich eine Kindheit genossen, in der nicht nur (dank eines katholischen Kindergartens aber auch hier intensivest) die Kindergärtnerin (Klosterschwester versteht sich) mich versucht haben dahingehend zu beeinflussen bzw. mir ihre Werte diesbezüglich zu vermitteln. AAAAber – ich halte das mittlerweile für gut und richtig so. Ein Kind muss mMn Meinungen und Werte der Eltern und Umgebung kennenlernen, um dann für sich herauszufinden, was es selbst denkt. Meine Schwester hat sich zB dafür entschieden auch an (einen?) Gott (denselben?) zu glauben wie der Rest der Familie. Hätte sie das auch wenn sie anders erzogen worden wäre ? Ich sage ja. Vielleicht nicht die selbe Religion, macht aber in meinen Augen genau Null Unterschied. Ich denke, es ist gut dass dein Kind im Kiga mit Menschen konfrontiert wird, die an Gott glauben. Und es ist cool, dass sie glaubt Gott in sich zu spüren. Ich hab lange als Kind zu Gott gebetet und natürlich dann irgendwann herausgefunden, dass es sinnlos ist. Studie abgeschlossen. Ich persönlich gehe übrigens bei L. gar nicht so weit ihr zu sagen es gibt nicht oder es ist wie mit Gespenstern.. Ist wegen ihres Papas mit zu viel Widerstand von ihrer Seite verbunden. Ich achte immer ganz gezielt darauf nur Worte wie – ich glaube… ich habe erlebt… ich sehe es so.. zu verwenden. Und je älter sie wird, desto mehr sehe ich, dass sie die selben Schlüsse zieht wie ich 😉
Also – langer Rede kurzer Sinn – dank innerlich mal der Kiga-Pädagogin für ihren Input, der deinem Kind die Möglichkeit gibt, etwas durch eigene Erfahrungen zu lernen und nicht bloß theoretisch zu durchdenken.