Anfang Juni erreichte uns diese Anfrage per Mail vom ÖKL (Österreichisches Kuratorium für Landtechnik und Landentwicklung):
„Habt ihr Lust uns einen Artikel für unsere kommende Sommerausgabe der ÖKL Zeitschrift „Land & Raum“ mit dem Themenschwerpunkt „Außer- und Innerfamiliäre Hofübernahmen“ zu schreiben? Über euren Betrieb, euren Werdegang und eure Hinter- und Beweggründe, aber auch eure Visionen und Vorhaben auf dem Betrieb. Was war der Grund für die Entscheidung in die Landwirtschaft einzusteigen? Was ist eure Geschichte, euer Hintergrund? Was verbindet euch mit der Landwirtschaft? Welche Schwierigkeiten/ Herausforderungen gab es entlang des Weges? Wo möchtet ihr in 10, 20, 30 Jahren stehen?“
Ja, wir hatten Lust, lest hier das Ergebnis! Unten angehängt auch der Artikel, wie er erschienen ist, als pdf.
Hofwärts!
Ob wir es noch einmal machen würden? Das ist ein wenig so, wie mit der Frage, ob man sich wieder dafür entscheiden würde, ein Kind zu bekommen. Es gäbe mit Sicherheit weniger Nachwuchs, könnten sich die potentiellen Eltern vorher ganz genau ausmalen, was auf sie zukommt.
Die Meisten aber sind froh, dass die Fantasie nicht gereicht hat. Hätten wir so genau gewusst, was es bedeutet, ohne Erfahrung oder entsprechende Ausbildung einen Bauernhof zu übernehmen – wer weiß, ob wir jetzt hier wären. Warum wir im Nachhinein oft dankbar für unsere Unwissenheit, aber keineswegs frei von Zweifeln sind, ob es das Richtige war.
Sehnsuchtsort Bauernhof
Schräg gegenüber vom Autohaus ist ein Schild, Nestelberg, und das blau-weiße Zeichen für Sackgasse. Dort biegt man ein und folgt dann immer der Straße. Am Beginn steht ein Haus neben dem anderen, dann werden die Waldstücke länger, durch die man fährt, und Häuser sind nur mehr vereinzelt in die Landschaft gepflanzt. Nach der letzten Kurve aus dem Wald erstrecken sich hügelauf- und hügelabwärts Wiesen, eine Scheune ist zu sehen, ein Wirtschaftsgebäude, davor ein Misthaufen. Dort ist unser Hof, unser Zuhause, unser kleines Stück Welt, mit dem wir so viel vorhaben.
Eigentlich wollten wir ja zuerst auf verschiedenen Höfen mitleben und anpacken, mein Mann und ich, um herauszufinden, ob wir wirklich für das Bauernhof- und Landleben gemacht sind, als junge, akademisch gebildete Städter/innen, ohne Ahnung von Landwirtschaft. Vielleicht hätten wir das ein paar Monate, mitunter auch ein paar Jahre gemacht und wären dann in ein städtisches Leben zurückgekehrt, geheilt von romantischen Sehnsüchten und unseren Überzeugungen zum Trotz.
Eigentlich wollten wir ja einen Hof, den wir gemeinsam mit anderen betreiben, unser Arbeitsrhythmus bestimmt von Jahreszeiten und Wetter, mit Tieren, eigener Ernte und dem Duft von frisch gemähtem Heu. Mit der Möglichkeit für jede und jeden Einzelnen/n, sich auch abseits von Hofarbeit und Selbstversorgung verwirklichen zu können. Mit angeregtem intellektuellem Austausch darüber ob das, was wir tun, ein richtiges Leben im Falschen ist.
Von der Idee zur Realität
Doch es ist anders gekommen, und heute leben wir als Kleinfamilie auf einem Hof und haben das vorher nicht ausprobiert. Wir waren pragmatisch und idealistisch, vielleicht auch voreilig und naiv. An einer Hofgemeinschaft waren viele unserer Bekannten interessiert, aber erst später im Leben, zunächst in der Stadt bleiben und Geld verdienen. So lange wollten wir nicht warten. Wenn wir das auch tun, so unsere Befürchtung, dann geben wir die Annehmlichkeiten eines urbanen Lebens mit gutem Gehalt irgendwann nicht mehr auf. Wir überlegten, uns einer Hofgemeinschaft anzuschließen. Als unsere Eltern merkten, dass wir mit dem Traum vom Hofleben ernst machen wollen, kam das Angebot, uns eine Landwirtschaft zu kaufen. Die Bankenkrise war noch nicht lange her, und ein Bauernhof wäre eine sinnvolle Wertanlage für die unsicheren Zeiten, in denen wir leben. Also machten wir uns auf die Suche und haben sowohl die Idee, dieses Leben erst einmal quasi unverbindlich zu testen aufgegeben als auch die Vorstellung einer Hofgemeinschaft. Pragmatisch eben, so ein Angebot schlägt man nicht aus. Vielleicht kam es uns auch ganz gelegen so. Wir mussten alle unsere wunderbaren Vorstellungen über das Hof- und Landleben nicht zuerst an der Realität überprüfen oder den Ideen und Bedürfnissen anderer in einer Gemeinschaft anpassen. Wir waren nämlich überzeugt davon, durch die Art, wie wir so ein Hofprojekt gestalten wollten, könnten wir die Welt verbessern. Idealistisch eben, und das ist eine Grundvoraussetzung, um heutzutage in die Landwirtschaft quereinzusteigen.
Bewusstseinsbildung am Bauernhof
Beruflich haben wir beide schon vor dem Umzug aufs Land als Politische Bildner/innen gearbeitet und im Rahmen von Workshops komplexes Wissen spielerisch vermittelt. Dieses Know How haben wir mitgenommen und entwickeln uns seit einigen Jahren zum Biobauernhof mit Aufklärungsanspruch.
Was ist ein gutes Leben? Wie wollen wir mit Tieren umgehen? Wo kommt unser Essen her? Wie können wir die so genannten Umweltfragen – Verlust der Artenvielfalt, Erderwärmung, Übernutzung der Ressourcen – global, demokratisch und friedlich bearbeiten? Für alle diese und viele weitere Fragen spielen Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion eine wesentliche Rolle. Doch die wenigsten Menschen wissen darüber ausreichend Bescheid, der großen Mehrheit bleibt nur, zu konsumieren.
Mit unseren Workshops wollen wir das ändern. Wir schaffen den Rahmen, sich mit Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung auseinanderzusetzen. Wir stellen diese und weitere Fragen und versuchen, sie gemeinsam mit den Teilnehmenden zu beantworten. Der Aufbau unserer Angebote orientiert sich dabei am pädagogischen Leitsatz „mit Herz, Hand und Verstand“, weil wir davon überzeugt sind, dass nur ein ganzheitliches Bildungserlebnis nachhaltig Bewusstsein schafft. Für unsere beiden Pilotworkshops „Vom Ei zum Suppenhuhn“ und „Vom Euter zum Feta“ bedeutet das zum Beispiel, dass die Teilnehmenden selbst versuchen, zu melken oder ein Huhn zu rupfen, währenddessen mit Informationen versorgt werden und politisieren und philosophieren können.
Unseren Hof und unseren Alltag möchten wir in kleinen Schritten entsprechend mitgestalten, auch weitere Workshops sollen entstehen. In unserer Vision 2030 gibt es Selbsterntegärten, eine gemeinsame Verarbeitungsküche, einen Hofladen, naturnahe Unterkünfte, weitere Nutztiere, einen kleinen Weingarten, Hecken, Teiche und viele andere Lebens- und Erholungsräume.
Immer, wenn wir über diese Idee reden oder schreiben, sind wir zutiefst überzeugt davon, dass es gut und wichtig ist, was wir tun. Wir wollten schon oft alles hinschmeißen, und es liegt unter anderem an dieser Gewissheit, dass wir weitermachen. Dennoch bleibt die Frage, ob das Projekt jemals einen substanziellen Beitrag zu unserem notwendigen Einkommen leisten wird. Als Liebhaberei werden wir es nicht auf Dauer betreiben. Das Feedback auf unsere Workshops ist überwältigend, der Andrang derzeit noch überschaubar.
Pragmatisch und idealistisch oder doch voreilig und naiv? Es wird sich weisen, bis dahin geben wir unser Bestes und wollen uns nicht unterkriegen lassen. Nicht davon, was wir in der Stadt alles hatten und jetzt vermissen – zum Beispiel die Nähe der Familie, mehr intellektuellen Austausch und öffentlichen Verkehr. Nicht davon, dass mancher Tag zwölf Stunden hat und voller Frustrationen steckt. Und auch nicht davon, dass die derzeitige Landwirtschafts- und Umweltpolitik mehrheitlich ein System subventioniert, dass die Umweltproblematik verschärft statt sie zu lösen.
Wir versuchen, uns an dem zu erfreuen, was da ist und warum wir es auch immer noch sind. Dazu gehört ohne Zweifel die Gemeinschaft, die wir dann doch irgendwie in unser Leben geholt haben. Hin und wieder sind wir nur zu dritt hier, als Kleinfamilie, aber den größeren Teil des Jahres steht unser Haus offen. Für Familie und Freund/innen, die gerne kommen und deren Hilfe unverzichtbar war und ist, aber auch für wildfremde Menschen. Was wir ursprünglich selbst tun wollten ermöglichen wir jetzt anderen: Leute aus aller Welt leben bei uns und helfen gegen Kost und Logis ein paar Wochen mit.
Die Sehnsucht nach dem Bauernhof, dem Leben auf dem Land, sie steckt in vielen von uns. Nicht alle können oder sollen deshalb gleich selbst einen Hof betreiben. Uns würde schon reichen, wenn viel mehr Menschen als bisher eine Vorstellung davon haben, was Landwirtschaft bedeutet und wie sie jetzt und in Zukunft betrieben werden soll. In diesem Sinne: Hofwärts!