Den ganzen Frühling habe ich mich gewundert, warum heuer keine will, gut zwei Wochen bevor wir in den Sommerurlaub fahren ist es dann endlich soweit: zwei Hennen brüten! Die Küken werden also schlüpfen, wenn wir weg sind.
Ich richte den beiden jeweils ein Nest in einem separaten Brutbereich, topfe sie um und mache eine entsprechende Notiz auf der Liste „Dem Hofsitter erklären bevor wir wegfahren“. Sie hängt am Kühlschrank gleich neben der Liste „Am Hof unbedingt erledigen, bevor wir wegfahren“. Dazu gehört zum Beispiel, die Schafe auf eine neue Weide zu lassen, so dass sie während unserer Abwesenheit genug zu fressen haben. Oder ein zweites Mal Gurken und Zucchini säen, denn wenn wir zurück kommen ist es zu spät dafür.
So lange wie diesmal, fast zwei Wochen, waren wir noch nie alle gemeinsam weg. Quasi von der Zeugnisverteilung geht es am letzten Schultag nach Wien und von dort mit dem Nachtzug nach Hamburg. Ziel ist ein Ferienhäuschen an der Ostsee, genauer gesagt in Dänemark, wo des Koglers bester Freund seit einigen Jahren mit seiner Familie lebt.
In der ersten Woche übernimmt ein Workawayer aus Frankreich Haus und Hof. Er war zwei Wochen mit uns hier, hat die tägliche Routine gelernt und Landwirtschaft studiert. Was soll schon schief gehen? Er übergibt dann an Magda, die bereits oft als Hofsitterin hier war und sich Freundinnen zur Unterstützung eingeladen hat.
Die Woche vor der Abfahrt ist, wie immer, sehr anstrengend. Der Kogler hat in beiden Jobs Deadline für eine Abgabe, es kommt spontan Besuch von weit her, ich versuche Kinder, Hof und alle Vorbereitungen unter einen Hut zu kriegen.
Am Freitag bringt der Workawayer uns zum nächst gelegenen Bahnhof, kaum sitzen wir im Zug habe ich den Hof vergessen. Das ist gut, das ist wichtig. Jedem Menschen steht Urlaub zu. Artikel 24 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: Recht auf Erholung und Freizeit. Da geht es natürlich vor allem um Menschen in Lohnarbeit, also um einen Schutz vor Ausbeutung durch Arbeitgeber, aber nötig haben Urlaub alle. Auch die, die für ihre Arbeit kein Geld bekommen und die, die ihr eigenes Unternehmen haben. Die spezielle Herausforderung beim Business Bauernhof: tägliche Bedürfnisse lassen sich nicht aufschieben. Es muss jemand hier sein, der füttert, gießt, die Stalltüren abends zumacht und bei anhaltendem Blöken oder Gackern nach dem Rechten sieht. Wir organisieren uns das privat gegen Kost und Logis, es wäre auch möglich, sich über den Maschinenring Betriebshilfe zuzukaufen. Angesichts der momentanen Lebensmittelpreise bin ich gar nicht so sicher, was günstiger käme. Anscheinend gibt es in Niederösterreich sogar Förderungen des Landes, wenn Höfe für Urlaub Betriebshilfe in Anspruch nehmen. Finde ich gut, sollte überall so sein. Urlaub für alle Bauern und Bäurinnen möglich zu machen kann nur als gesamtgesellschaftliche Bemühung funktionieren.
Wir genießen das Meer, die moderaten Sommertemperaturen, dass die Kinder sich so gut verstehen und wir weit weg von jeder Verantwortung am Hof sind. Am zweiten Urlaubstag ruft ein Nachbar an, drei Schafen sind draußen. Wir geben dem Workawayer Bescheid, er möge bitte feststellen, ob es Männchen oder Weibchen sind und sie zur richtigen Herde zurückbringen. „It is good for sheep. Three female“ schreibt er eine halbe Stunde später. Fein, zurück in den Urlaubsmodus.
Wieder zu Hause lasse ich das Gepäck fallen und drehe eine Hofrunde. Ich stelle erfreut fest, dass die Gurken und Zucchini tatsächlich gekeimt sind, sehe nach, ob es bald eigene Tomaten geben wird, ernte die Ribisel und bin entzückt von den prächtigen Küken.
Später plaudern Magda und ich beim Kaffee, sie erzählt mir davon, wie schön es auch diesmal wieder war, sich zu den Schafen auf die Weide zu setzen. Eines unserer Weibchen, Flocke, lässt sich streicheln wie ein Hund. Wann wir die jungen Widder trennen werden, die noch bei ihren Müttern in der Herde mitlaufen, fragt sie mich dann. Junge Widder? Ich meine mich zu erinnern, dass die jüngsten Lämmer drei Weibchen waren und alle männlichen Lämmer dieses Jahres wie immer mit drei Monaten zur Männchenherde gekommen sind, mit dem Alter werden sie nämlich geschlechtsreif. Ich sehe im Kalender nach, der gibt mir recht. Zur Sicherheit erörtern wir noch einmal kurz die Anatomie männlicher und weiblicher Schafe. Das Zählen der Tiere in den beiden Herden bringt dann die Gewissheit: die drei Anfang des Urlaubs ausgebüchsten Schafe waren junge Widder, keine females. Die Jungs hatten zwei Wochen Zeit, der überwiegende Teil der geschlechtsreifen Weibchen dürfte trächtig sein. Was das für uns bedeutet, darüber werde ich das nächste Mal schreiben – Lappalie ist es keine.
Der Kogler fragt, was für mich das Fazit dieser Geschichte ist. Keinen Urlaub mehr machen? Na wirklich nicht. Ab jetzt immer vorab erklären, woran man ein Euter von Hoden unterscheiden kann? Das würde vielleicht helfen.
Ich frage den Kogler, was denn sein Fazit der Geschichte ist. Er denkt kurz nach. „Bauer sein ist ein harter Job, aber wenigstens verdient man richtig gut dabei“, sagt er dann.
1 Comment
Hallo ihr Lieben! es freut uns, das ihr euren „wohlverdienten “ Familien-Urlaub in Dänemark genießen konntet.
eine GEMEINSAME AUSZEIT ist für alle besonders wertvoll.
wir wünschen euch noch einen schönen, erfolgreichen Sommer
besonders liebe grüße renate &hans